Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
erstmal vielen herzlichen Dank an die Organisator*innen der Antifa Jugend und Gratulation zu eurer ersten sehr gelungenen Aktion! Wir freuen uns sehr darauf, mehr von euch zu hören!
Für die die uns nicht kennen, wir sind die Initiative „Recht auf Stadt Aachen“ und setzen uns seit 2015 für eine Stadt für alle ein. Also eine Stadt die sich an den Bedürfnissen ihrer Bewohner*innen orientiert und nicht an der kapitalistischen Verwertungslogik. Eine Stadt in der alle Menschen eine lebenswerte, bezahlbare, warme Wohnung und volle Bäuche haben. Eine Stadt in der man sich auf die Qualität des ÖPNVs oder des Bildungs- und Gesundheitssystems verlassen kann. Eine Stadt, in der alle am öffentlichen Leben teilhaben und mitbestimmen können. Aber vor allem eine Stadt in der Solidarität das Zusammenleben prägt
Gegen all das steht die AfD! Gegen all das stehen die rechten Kräfte, die durch den Rechtsruck an die Macht gekommen sind. Die Rechten bringen keine sozialen Lösungen, sondern nur soziale Spaltung, Hass und gesellschaftliche Verwahrlosung. Wir sehen es in Ungarn, Italien und Polen, in den USA, in Brasilien, Argentinien oder Indien.
Spätestens nach den aktuellen Nachrichten über die Deportationsfantasien der AfD und ihrer Nazi-Netzwerke dürfte allen die Gefahr bewusst sein, die von Wahlerfolgen der Partei ausgehen. Umso mehr freuen wir uns, dass hier heute so viele Menschen zusammenstehen. Gemeinsam zeigen wir klare Kante gegen die faschistischen Kräfte in unserer Gesellschaft und senden ein starkes Zeichen in die Welt! Nie wieder Faschismus!
In den letzten Jahren war es in Aachen glücklicherweise meist so, dass viele Menschen zusammengekommen sind, wenn es darum ging gegen Rechte zu demonstrieren. Das Kräfteverhältnis beim Protest gegen die letzte Kundgebung der AfD am 09. September hat das deutlich bewiesen.
Tatsächlich kann Aachen auch auf eine spannende Historie antifaschistischer Kämpfe zurückgucken. Es war die Stadt, in der das erste Mal die rote Fahne als Zeichen der Arbeiter*innenbewegung benutzt wurde. In der Weimarer Republik war Aachen, den Wahlerfolgen der KPD nach, zwischenzeitlich eine kommunistische Hochburg. Die Kommunist*innen haben es lange geschafft, die Wahlerfolge der NSDAP gering zu halten. Später, noch während dem NS haben Anarcho-Syndikalist*innen Menschen wie den russischen Revolutionär Nestor Machno über die grüne Grenze nach Holland oder Belgien geschmuggelt.
Aber auch lange nach dem NS, uns bekannt ab den frühen 2000ern, gab es hier starken Widerstand gegen die organisierten Nazis z.B. von der Kameradschaft Aachener Land, kurz KAL. Mutige Antifaschist*innen haben sehr viel riskiert, um die Etablierung von Nazisstrukturen in der Region zu verhindern. Im Gegenzug mussten sie sich selbst und unsere Räume wie das AZ regelmäßig gegen Angriffe verteidigen. Als die KAL 2012 verboten wurde, entstand bald die AfD. Einige von euch werden sich sicher noch daran erinnern, wie Viele von uns damals gemeinsam die Parteigründung erschwert und ihnen keine öffentlichen Räume überlassen haben.
Aber was ist seitdem außer einigen Gegenprotesten passiert? Machen wir uns nichts vor. Die organisierten Nazis sind zwar im Stadtbild nicht mehr präsent, aber sie sind auch nicht verschwunden. Zuletzt sollen einige AfD-Mitglieder an lokalen Bauernprotesten teilgenommen haben. Die Partei ist sowohl in Aachen als auch in den umliegenden Orten Stolberg, Alsdorf und Eschweiler vertreten. Alles Orte an denen sich die höchsten Armutsquoten der Städteregion finden.
Bisher hat die AfD zwar noch in keinem der genannten Orte bei Wahlen mehr als 10 % bekommen können, in Aachen waren es bei der letzten Kommunalwahl sogar nur 3 %. Allerdings gibt es hier mehrere Stadtteile, in denen die Wahlergebnisse zwischen 10 % und 20 % liegen. Zum Beispiel in Bereichen von Rothe Erde, Forst oder dem Ostviertel. Es sind also auch genau die Viertel in den viele Menschen unter Armut leiden und sich die Perspektivlosigkeit in sehr geringer Wahlbeteiligung bis hin zu nur 12 % in der Hüttenstraße widerspeigelt. Es sind die Viertel, in denen die Menschen wohnen, die am härtesten von der aktuellen Sparpolitik betroffen sind und deren Bedürfnisse am wenigsten berücksichtigt werden. Die Menschen die aufgrund von Rassismus oder zu hohen Mieten sonst nirgendwo mehr eine Wohnung finden. Die unter so viel Druck und Existenzängsten im Alltag leiden, dass ihnen die Teilhabe am öffentlichen Leben verwehrt bleibt. Deren Lebenssituationen so gut wie nie in der bürgerlichen Öffentlichkeit, der Aachener Zeitung oder Gesprächen der Kommunalpolitik vorkommen. Die Menschen, die sich den hohen Raten an Bürgergeldempfänger*innen entsprechend am ehesten angesprochen fühlen müssen, bei der aktuellen Hetze von Linder & Co.
Was wird also passieren, wenn die aktuelle Sparpolitik der Ampel erst ihre volle Wirkung entfaltet? Wie werden die Menschen in anderen Vierteln reagieren, wenn es auch für sie immer spürbarer wird, dass die Ampel ihre Bedürfnisse völlig missachtet, um es Banken und Konzernen recht zu machen? Was kommt bei den Menschen an, wenn am selben Tag das Asylrecht zusammengestrichen wird, an dem sich über die Afd beschwert wird? Die Wahlprognosen, die Vereinnahmung der Bauernproteste oder der Diskussion um das sogenannte Heizungsgesetz geben uns einen Vorgeschmack auf das, was kommen könnte. Es zeigt sich überdeutlich, dass die aktuelle Politik der SPD, der Grünen und der FDP, angeheizt durch die CDU die Positionen der AfD stärkt. Diese Parteien und ihre Unterstützer*innen machen sich mitschuldig, solange sie nicht einen sozial-gerechten und klimagerechten Kurs einschlagen. Umso wichtiger, dass sich dieser Protest nicht nur gegen die AfD richtet, sondern auch gegen ihre Wegbereiter, gegen gesellschaftliche Spaltung! Für Solidarität statt Hetze!
Die linke Bewegung und alle die von einer gerechten Welt träumen, müssen sich aber auch selbstkritisch fragen, warum wird in den Vierteln wie Rothe Erde eher rechts als links gewählt? Was ist aus der klassenkämpferischen Tradition geworden? Warum sind wir dort so gut wie nicht aktiv?
Dabei steckt dort das größte Potenzial für Veränderung. Tausende Mitbürger*innen, deren Meinung bisher sich nicht bei den Wahlen widerspiegelt und somit, aufgrund fehlender anderer Partizipationsmöglichkeiten, überhaupt keine Rolle in der Stadtentwicklung spielen. Was wäre, wenn alle Menschen mitreden würden? Sich für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse einsetzen?
Um das zu ermöglichen, wird es Zeit eine linke Alternative anzubieten. Doch wie kann die Alternative aussehen?
Mit dieser Frage haben wir uns viel beschäftigt und sind wie viele andere zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht nur mit Kampagnen und Vorträgen, sondern langfristigen Strukturaufbau benötigt. Wir müssen gemeinsame Netzwerke aufbauen, die praktische Solidarität und gemeinschaftliche Hilfe erlebbar machen. Netzwerke, die es ermöglichen gemeinsam den Alltag zu erleichtern und Verbesserungen z.B. in der Wohnung zu erkämpfen. Netzwerke, die die Individualisierung durchbrechen, Menschen zusammenbringen und Diskussionen ermöglichen. Netzwerke aus denen sich eine wirksame Gegenmacht gegen die wachsende Ungleichheit, die Umverteilung von Wohlstand von unten nach oben also mit anderen Worten den aktuellen Klassenkampf von oben entwickeln können. Netzwerke die Hoffnung geben!
Vorbilder für solche Strukturen sind für uns die Stadtteilgewerkschaft „Gröpelingen solidarisch“ in Bremen, Kotti & Co in Berlin oder „Berg fidel solidarisch“ in Münster.
Wir wollen genau das ausprobieren und arbeiten deswegen seit einem guten halben Jahr daran, Netzwerke in Nachbarschaften im Aachener Osten aufzubauen. Wir haben zum Beispiel Mieter*innen dabei unterstützt, die sich aufgrund von großen Problemen in den Wohnungen gegen ihren Vermieter, das Immobilienunternehmen LEG wehren mussten. Aktuell sind wir an unserem zweiten Fall. Es mangelt jedoch an Kapazitäten, um diese Arbeit auszuweiten. Wir freuen uns also sehr über Unterstützung! Lasst uns gemeinsam eine solidarische Stadtgesellschaft aufbauen! Gemeinsam sorgen wir dafür, dass die AfD & Co nur eine schlechte Erinnerung sein werden!
Nie wieder Faschismus! Für eine solidarische Gesellschaft! Für das gute Leben für alle!