Die STADT ALS UNTERnehmen

In Aachen wurde zu Gunsten des Aquis Plaza 6.000-7.000 m² günstiger Wohnraum abgerissen. Dies bedeutete für 300 Menschen die Entmietung und folglich die Verdrängung. Die mit der Kaiserplatzgalerie in Aachen vorgefundene Situation stellt kein einmaliges Phänomen dar, sondern kann als Teil der globalen Stadtentwicklung gesehen werden. Dieser Prozess, der die soziale, bauliche und wirtschaftliche Aufwertung von Wohnvierteln beschreibt, wird von Sozialwissenschaftler_innen Gentrifizierung genannt.

Die derzeit vorgefundene Stadtentwicklung kann nicht unabhängig von der der Entwicklung des Kapitalismus betrachtet werden, der sich in seiner neoliberalen Periode befindet. Diese Periode des Kapitalismus ist gekennzeichnet durch eine globale Deregulierung des Kapital-, Waren- und Geldverkehrs. Eine Folge dessen ist die Deindustrialisierung westlicher Städte. Konkret bedeutet das, dass es zwar Grenzen für Menschen gibt, aber nicht für Geld und Ware. Doch was heißt das genau für städtische Entwicklungen, die wir um uns herum beobachten können?

Hierzu ein kurzer Einblick in die Geschichte der kapitalistischen Stadtentwicklung: Als die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert Deutschland erreichte, waren die Städte Fabrikstandorte. Das Leben in der Stadt wurde für die Arbeiter_innen überlebensnotwendig. Durch den technischen Fortschritt, den die Industrialisierung mit sich brachte, wurde weniger Arbeitskraft und Zeit zu der Herrstellung von Lebensmittel benötigt. So wurden viel weniger Bäuer_innen gebraucht und waren von ihrer Arbeit auf dem Land freigesetzt. Gleichzeitig waren sie durch die Entwicklungen rund um die französische Revolution frei im doppelten Sinne. Sie waren frei vor dem Gesetzt und konnten mit jedem einen Vertrag eingehen, gleichzeitig waren sie frei von jeglichen Porduktons- und Lebensmitteln. Zum Überleben mussten sie ihre Arbeitskraft verkaufen und strömten so, um ihr Überleben zu sichern, in den Frabrikstandort Stadt. Somit waren die rasant wachsenden Städte hauptsächlich von den Arbeiter_innen bewohnt. Entsprechend fiel das Durchschnittseinkommen in den Städten eher gering aus. Da der Kapitalismus sich zu einem globalen Phänomen entwickelt hat, verloren die westlichen Städte ihren Reiz als Industriestandorte, da die Produktion in diesen zu teuer ist. Durch den globalen Kapitalismus war die Möglichkeit gegeben, neue, günstigere und daher gewinnbringendere Standtorte zu erschließen. In den westlichen Städten hat sich der Schwerpunkt unterdessen hin zu Forschung, Entwicklung, Design, Vertrieb, Werbung und Logistik verschoben. Für die Städte sind Standpunkte mit diesen Schwerpunkten entscheidend, weshalb sie untereinander um diese konkurrieren.

Folgen der eben beschriebenen Entwicklung sind, dass hauptsächlich Arbeitsplätze für hochprofessionalisierte Arbeitskräfte geschaffen werden. Die anderen Beschäftigten werden in den Niedriglohhnsektor, im dem sehr schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, verbannt oder werden sogar erwerbslos. Die Stadt wird nun so gestaltet, dass sie für hochprofessionalisierten Abreitskräfte attraktiv ist. Daraus folgt, dass unterschiedliche politische, kulturelle und bildende Angebote der Stadt hauptsächlich auf diese zugeschnitten werden. Die Angebote betreffend herrscht ebenfalls eine Konkurrenz zwischen den Städten, da diese über den Zuzug von Wirtschaft entscheiden. In diesem Zusammenhang werden Geringverdiener_innen und Erwerbslose als Kostenfaktor und nicht profitabel wahrgenommen. Die Stadt agiert wie ein Unternehmen.

Doch was passiert mit jenen Geringverdiener_innen und Erwerbslosen im Konzept der unternehmerischen Stadt? Resultierend aus der Veränderung des Lebensstils der Mittelklasse werden jene an die schlecht angebundenen Ränder der Stadt verdrängt. Die Entwicklung der Mittelklasse weg vom klassischen Kleinfamilienmodell mit dem Traum eines Reihenhauses in einem Vorort hat zur Folge, dass diese die Wohnungen in der Innenstadt immer atraktiver finden. Ganz im Gegensatz zu dem durch ökonomische Bedingungen erzwungenen Zugzug der Arbeiter_innen während der Industrialisierung, zieht die Mittelschicht freiwillig in die Städte, da sie sich durch die dort geschaffene Atragktionen angesprochen fühlt. Sie muss nicht ihr Überleben sichern, sie möchte sich amüsieren. Dadurch wird auch das Interesse von Investor_innen geweckt, die die Häuser kaufen und sanieren. Einziges Ziel hierbei ist die Profitmaximierung. Schließlich kann mit Wohnraum, der die Mittelklasse anspricht, mehr Profit generiert werden als mit Sozialbauten. So fehlt es in Aachen nicht an Wohnungen im Allgemeinen sondern an bezahlbaren Wohnungen und sozialem Wohnungsbau.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Städteplanung unternehmerisch gestaltet wird. Es geht nicht darum eine lebenswerte Stadt für Alle zu gestalten, sondern eine Stadt zu produzieren, die Gewinn bringt und eine eigene Marke ist, mit der geworben werden kann.