Recht auf Stadt und Klimaschutz zusammen denken
Ein Artikel von uns aus der 3. Ausgabe der Tacheles.
Das „Recht auf Stadt“ beschreibt das Recht für alle, die Stadt mitzugestalten. Das Recht auf Stadt fordert eine Stadt, die so gebaut wird, dass sie allen Bewohner:innen zugutekommt. Alle sollen eine angemessene, bezahlbare Wohnung haben, mobil sein und Zugang zu guter Bildung, Medizin, Kultur und Erholungsmöglichkeiten bekommen. Die Stadtentwicklung sollte sich an den Bedürfnissen ihrer Bewohner:innen orientieren und solidarische Zusammenarbeit fördern statt weiterhin profitorientierte Unternehmen den roten Teppich auszurollen. In den letzten Jahrzehnten orientiert sich Stadtentwicklung immer stärker an einer rein wirtschaftlichen Perspektive. Mietpreise und Bodenpreise explodieren. Ticketpreise für den ÖPNV steigen. Die Qualität medizinischer Versorgung hängt immer stärker vom Geld ab. Zugang zu guter Bildung ist immer mehr vom Wohnort abhängig. Unkommerzielle Kultur verschwindet aus dem Stadtbild. Es gibt kaum noch Plätze an den du nicht bezahlen musst, um dort zu bleiben.
Kurz gesagt: Die Stadt wird nicht mehr als Lebensraum betrachtet, sondern als Unternehmen. Die Lebensqualität der Bewohner:innen hängt von der Höhe des Lohns ab. Wer sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten kann, muss wegziehen und hat noch weniger Chancen die eigene Situation zu verbessern. Soziale Ungleichheit verschärft sich dadurch von Tag zu Tag. Die Forderung nach dem „Recht auf Stadt“ ist eine Antwort auf diese Entwicklung. Der weltweite Rechtsruck und die immer stärkeren Proteste für soziale Gerechtigkeit zeigen uns wie dringend notwendig so eine Antwort ist.
Gleichzeitig ist die Stadt einer der Hauptschauplatz der Klimaerwärmung. Von nah und fern kommend, schieben sich jeden Tag Blechlawinen durch die Straßen und verpesten die Luft. An jeder Ecke ein Supermarkt mit Lebensmitteln, von denen ein Drittel auf dem Müll landet. Läden vollgestopft mit Waren die vorher um die ganze Welt gereist sind. Anstelle von Wiesen und Wäldern entstehen gigantische Bauprojekte die Unmengen an Beton, Glas oder Stahl verschlingen. Für Industriegebiete und Einfamilienhäuser wird Quadratmeter um Quadratmeter mit Teer versiegelt. Tausende Häuser die alle mit nicht-erneuerbarer Energie versorgt werden. Und so weiter… Auch hier können wir feststellen, dass die wirtschaftliche Perspektive viel mehr Einfluss hat als der Schutz der Umwelt und des Klimas. Der immer spürbarere Klimawandel und seine zerstörerischen Folgen führen uns Tag für Tag vor Augen, dass wir, die Menschheit, so nicht weiter wirtschaften können. Also was tun?
Während immer mehr Vorschläge für eine klimafreundliche Stadt ausprobiert werden, wird die soziale Gerechtigkeit vernachlässigt. Wir denken jedoch, dass beide Themen zusammengedacht werden müssen, um erfolgreich zu sein. Wer mehr Menschen in den ÖPNV bekommen will muss auch für Bezahlbarkeit und Erreichbarkeit für alle sorgen. Wenn Individualverkehr verhindert werden soll, braucht es Wohnungen aller Größen in der Nähe von Arbeitsplätzen, Läden, Schulen, Krankenhäusern und Erholungsgebieten. Gleichberechtigte Versorgung mit sozialer Infrastruktur müsste Standard sein anstatt Luxus für diejenigen die sich die Wohnungen in guten Lagen leisten können. Um Flächenversiegelung zu verhindern braucht es eine dauerhafte Lösung für Wohnraum und Gewerbegebiete. Der heutige Normalzustand mit befristeten Sozialwohnungen, wachsenden Einfamilienhaussiedlungen und ständig neuen Bürogebäuden müsste sich wandeln, hin zu gut ausgestatteten, gemeinschaftsfördernden Siedlungen mit einer Mischung aus bezahlbarem Wohnen und Arbeiten. Um Ressourcenverschwendung zu stoppen, müssen wir über Recycling, Leihen und Teilen sowie über ein solidarisches Verhältnis zwischen Stadt und Land sprechen. Repair-Cafes, FoodCoops und solidarische Landwirtschaften geben uns nur einen Vorgeschmack. Damit diese Versuche den gewünschten Effekt haben, müssen sie flächendeckend umgesetzt werden. In den Städten bräuchte es dafür politischen Willen und beständige, verlässliche Netzwerke in allen Nachbarschaften. Da heutzutage ganze Bevölkerungsgruppen von Verdrängung durch steigende Mieten bedroht sind, ist der Aufbau solcher Netzwerke leider sehr schwer. Sollte es dennoch gelingen stehen sie dem immer wachsenden Einfluss von Unternehmen und Lobbys gegenüber. Die dauerhaften Mietsteigerungen müssen also gestoppt werden und der Bevölkerung solche Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden, wie sie die „Recht auf Stadt“-Bewegung versucht zu erkämpfen.
Diese Aufzählung zeigt uns, wie eng die Themen der Klimabewegung und der „Recht auf Stadt“ – Bewegung miteinander verbunden sind. Deswegen rufen wir alle die sich entweder mit Klimawandel oder mit dem Recht auf Stadt beschäftigen, dazu auf, beide Themen gemeinsam zu denken. Lasst uns zusammenarbeiten!
Unsere Redebeiträge/ Texte zu dem Thema
- Redebeitrag von der Demo am 21.06.2020 von Fridays For Future, am Jahrestag der Großdemonstration 2019 – Link
- Solidarität mit der Bürger:innen-Initiative Luisenhöfe – Link
- Übergabe der Unterschriften für die BI LUisenhöfe – Link
- Frühjahrsputz nach Kahlschlag im Boxpark – Link
- Rückblick auf die Bürgerbeteiligung zu den Luisenhöfen am 14.03.19 – Link
Ökologischer Stadtumbau – Wendepunkte in der Stadtentwicklung
Ökologischer Stadtumbau – Wendepunkte in der Stadtentwicklung
von Ekhart Hahn
Ein sehr guter Text,mit vielen guten Ideen wie wir einer klimafreundlichen Stadt näher kommen. Wer eine Einleitung in das Thema braucht, ist hier genau richtig: Link
Stadtökologie statt Ökologie
Kommentar zu Lisa Vollmer und Boris Michel „Wohnen in der Klimakrise. Die Wohnungsfrage als ökologische Frage“ im Magazin „Sub:urban“
-ganzer Text: HIER
Die Rede von der Wiederkehr der städtischen Wohnungsfrage offenbart, dass dem Wohnen eine strukturelle Fundierung zugrunde liegt. Als Komponenten dieses Fundaments lassen sich die kapitalistische Kommodifizierung der Wohnung, das Festhalten am bürgerlichen Familienparadigma in der Wohnform und die Inszenierung individualistischer Lebensweise über das Wohnen ausmachen. Eine Auseinandersetzung mit Fragen ökologischer Nachhaltigkeit urbaner Räume im Zeichen der Klimakrise, sollte daher Gesellschaftsanalyse und Gesellschaftskritik in den Mittelpunkt der Debatte rücken. Stadtökologie sollte primär eine Frage der politischen Ökologie sein. Demzufolge müsste dem Wohnen als Teil der sozialen Infrastruktur schichtübergreifend Vorrang eingeräumt, kollektiven Wohnformen größere Spielräume der Umsetzung zugebilligt und Wohnbau regionalplanerisch organisiert werden.
Können Kommunen das Klima retten?
Rezension zu Cindy Sturm (2019): Klimapolitik in der Stadtentwicklung. Aus dem Magazin „Sub:urban“
Ganzer Text: Hier
Klimaschutz ist in den wenigen letzten Jahren zu einem dominanten politischen Topos geworden. Insbesondere die Schulstreik-Bewegung der Fridays for Future (FFF) hat die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Erkenntnisse der internationalen Klimaforschung gelenkt. Diese hat im Vorfeld der internationalen Klimakonferenzen eingefordert, dass endlich „nie dagewesene Maßnahmen“ ergriffen werden müssen, um die für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation – so wie wir sie bisher kennen – bedrohlichen Auswirkungen der Erhitzung der Erdatmosphäre auf ein kontrollierbares Maß zu begrenzen. Die international bestens vernetzten jungen sozialen Bewegungen wie FFF oder Extinction Rebellion haben dabei in letzter Zeit auch die kommunale Ebene als Adressatin für ihre Aktionen entdeckt: Sie fordern von den Kommunen, den Klimanotstand auszurufen, und nutzen Partizipationsmöglichkeiten wie Bürger*innenversammlungen, um dieser Forderung auch durch Beschlüsse Nachdruck zu verleihen. Immerhin haben sich laut Umweltbundesamt mittlerweile mehr als 40 Kommunen per Beschluss selbst verpflichtet, dem Klimaschutz eine höhere Priorität einzuräumen als bisher (Stand 6.2.2020, vgl. Umweltbundesamt 2020). Dabei hat die Ausrufung des ‚Klimanotstands‘ allenfalls eine symbolische Bedeutung und entfaltet keine rechtlich bindende Wirkung. Vielmehr wird über diese Aktivitäten ein Beitrag zur diskursiven (Re-)Konstruktion eines Politikfeldes auf kommunaler Ebene geleistet und eine Steigerung der Bedeutung des Klimaschutzes auch auf kommunaler Ebene erzeugt.
Die Wohnungsfrage als ökologische Frage: Aufruf zur Debatte
Der Artikel ist in der Sub/urban erschienen. Den ganzen Text findet ihr hier: LINK
Die ganze Ausgabe zum Thema Stadt, Klima, Ökologie findet ihr hier: Link
Die Verbindung der sozialen und der ökologischen Frage ist eine der zentralen Herausforderungen linker Politik und kritisch-engagierter Wissenschaft heute. Dafür, wie wenig das bisher gelingt, sind die öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussionen um die Wohnungsfrage gute Beispiele. Dieser Aufruf ist eine Einladung an den kollektiven Wissensschatz aus Wissenschaft und Aktivismus, die unterschiedlichen Aspekte der ökologischen Wohnungsfrage, die bisher stark fragmentiert behandelt werden, in einzelnen Beiträgen weiter auszuführen und auf ihren strukturellen Zusammenhang mit der sozialen Wohnungsfrage hin zu beleuchten.
Ökologie und das Recht auf Stadt
Quelle: Hier
Die leidige Ökologie, das Recht auf Stadt und das „Unternehmen Hamburg“
Von Jörg v. Prondzinski, AKU Wilhelmsburg, 14. Februar 2010
Dieser Text nimmt eine Debatte aus dem Recht-auf-Stadt-Bündnis (RaS) auf, inwieweit (vermeintlich schwerpunktmäßig) ökologische Gruppierungen und damit ökologische Themen einen Platz im RaS haben sollen. Dieser Text ist ein Plädoyer für öko (und gegen Lärm). Er soll zeigen, daß es aktuell gar nicht um „rein ökologische“ Fragestellungen geht, sondern vielmehr um die Frage, wie das „Unternehmen Hamburg“ mit seinem Grün, mit den Freiflächen der Stadt umgeht.
Ein Versuch der Aufklärung und Einordnung, betrachtet aus der Perspektive der grünsten (und lautesten) Flußinsel der Welt von Hamburg – und somit auch unter Berücksichtigung der Rolle von IBA/igs*, den beiden Großevents für 2013 auf Elbinselland.
Die Gruppen im RaS-Bündnis, die mit dem Label „öko“ versehen sind (darunter Apfelbaum braucht Wurzelraum, Moorburgtrasse, Buchenhof und Isebek), haben eine Gemeinsamkeit: Sie befassen sich damit, wie das „Grün“ der Stadt irgendwelchen Investoren zur Verwertung angetragen wird bzw wie es sonstwie höherverwertet werden soll – und wie das auch noch mehr oder weniger kreativ legitimiert werden soll.
Auch der rein ökologische Aspekt an der Kritik an diesen Bauvorhaben ist eine klare RaS-Thematik, zumal er gar nicht wirklich rein-wissenschaftlich (vermeintlich-gestrig)-ökologisch ist. Schließlich leben wir alle (hoffentlich) nicht nur in Wohnungen, sondern verlassen sie regelmäßig, auch um uns zu erholen, oder zumindest um frische Luft zu schnappen. Dafür muß es natürlich auch geeignete Orte in der Stadt geben. Unaufwendig zu erreichen. Kostenlos zu betreten, da das Recht auf Stadt auch für arme Menschen gilt. Freiräume sind notwendig, die nicht funktional vorstrukturiert sind, die „erobert“ werden können, von Kindern und Erwachsenen und die auch Grundlage für Erfahrungen mit „Natur“ sind. Ich zumindest brauche für mein körperlich-geistiges Überleben im Lebensraum Stadt neben anderen Menschen und gebauten Orten auch noch (wilde) Freiflächen mit anderen Lebewesen – Pflanzen z.B.
Darum gehts: Wie die Stadt derzeit mit solchen Orten umgeht. Nicht nur bestimmte Menschen werden im Zuge der Aufwertungsprozesse aus der Stadt herauszentrifugiert, nein auch Grünflächen stehen unter wachsendem Verwertungsdruck, werden entweder mit Häusern bestellt oder „am Markt platziert“, d.h. leistungsfähig und wirtschaftlich verwertbar gemacht.
Dazu gibt es die Qualitätsoffensive Freiraum. Nachzulesen (allerdings nicht so deutlich) im Entwurf zum Stadträumlichen Leit(d)bild, erarbeitet in der BSU.
Und seit 10 Jahren – angefangen in der einst eigenständigen Umweltbehörde – gibt es Fachtagungen namens GRÜN | MACHT | GELD. Da wird – natürlich ohne Kritik daran und ohne demokratische Legitimation dafür – ein neues neoliberales Naturgesetz verhandelt:
Öffentliches Grün ist nicht mehr öffentlich finanzierbar.
(Wissen wir ja alle: Die Welt kann nur noch durch Steuersenkungen gerettet werden, und also kann kein Geld mehr für Allgemeinwohlzwecke verwendet werden, nur noch zur Image- und Wirtschaftsförderung, was dann Wachstum erzeugt, wodurch sich das Steueraufkommen erhöhen würde, das man dann wieder senken kann…)
Federführend für den neuen Umgang mit dem öffentlichen Grün war Heiner Baumgarten, vorher Umweltbehörde, jetzt passenderweise Chef der gartenschau-gmbh. Der neue Umgang wird dabei natürlich nicht abrupt eingeführt, sondern abgepuffert langsam schleichend. Es werden typischerweise nicht alle Bäume eines Parks mit einmal abgesägt und es wird auch noch kein Park gänzlich eingezäunt und Eintritt genommen. Die Akzeptanz muß weitgehend unbeschädigt bleiben: per Einschleicheffekt und per Gebetsmühlen („kein Geld mehr da, kein Geld mehr da…“)
Da ist die gartenschau-gmbh ein schönes Experimentierfeld. Zunächst mal wird da ein Masterplan aus dem Hut gezaubert. Den hat zwar kein demokratisch legitimiertes Gremium beschlossen, aber er bricht locker das bestehende rechtsstaatlich verankerte Planrecht. Dann kann man versuchen, den Vorhabenträger auch zum Genehmiger seiner Vorhaben zu machen (die öffentliche Verwaltung beweist immer wieder: sie schafft es einfach nicht mehr – allerdings ist die Privatisierung von hoheitlichen Aufgaben hier doch noch nicht so recht gelungen). Oder man führt Vorzeige-Privatisierungen des öffentlichen Raums durch: Für ein bestehendes Schwimmbad wird per künstlich-großer Neuplanung der BSU auf das bestehende Schwimmbadgelände hinauf eine Verlagerungsnotwendigkeit erzeugt und dafür ein schönes Fleckchen im Park gefunden. Mit viel dazugezäuntem Außenbereich. Alle jubeln: juhu, wir kriegen ein neues Schwimmbad.
Worum es aber geht: Der erste Investor soll den ersten Zaun ziehen im modernen Volkspark des 21. Jahrhunderts. Statt Protest gegen die Privatisierung von Parkflächen gibts frenetischen Beifall.
Für die vielen Vorhaben im Bereich der Gartenschau werden Bäume gefällt. Etwa 1000 sind schon weg, über 2000 sollen 2010 noch fallen. In der nächsten Fällsaison gehts dann nochmal weiter. Da wird richtig aufgeräumt. Der neue öffentliche Raum (der private sowieso) wird zunehmend durchsichtig sein.
Hamburg hat das Image der grünen Stadt. Genau: das Image! Images, das zeigt nicht nur die IBA, nein auch die Gartenschau, können auch ohne Realitätskorrelation gepflegt werden. Es muß nur oft genug gesagt werden, dann wirds wahr.
Einschub Kosten:
Vielleicht wissen es viele nicht: Aber jeder Baum im öffentlichen Raum muß 2mal im Jahr begutachtet werden: Ob eine mögliche Gefährdung von ihm ausgeht. Wenn ein toter Ast abbricht und wer zuschadenkommt, muß die Stadt den Schaden ersetzen (das ist noch nicht dereguliert). Bäume sind also ein mörderischer Kostenfaktor! Die Laubbeseitigung kommt noch hinzu!
Pflege von Gebüsch ist das zweitteuerste in öffentlichen Grünanlagen (36T € pro Jahr und Hektar). Besonders aufwendig: das Heraussammeln von Müll (in Wilhelmsburg wird dies allerdings nur noch von Arbeitslosen erledigt, die das per Vertrag (!) für das Bezirksamt erledigen.) Relativ günstig sind Rasenflächen (10T € pro Jahr und Hektar). Ein paarmal mit dem Balkenmäher rüber, das genügt. Am billigsten ist allerdings Betonplatte. Schon bemerkt? So sehen die in jüngster Zeit gestalteten „Grün“anlagen aus, z.B. in der Hafencity.
Betonplatte paßt auch zur genannten „Qualitätsoffensive Freiraum“: Die weniger werdenden Grünanlagen sollen zum einen
- leistungsfähiger werden, um Grundlage für die wachsenden Freizeitaktivitäten der wachsenden(?) Bevölkerung sein zu können – es soll also eine Nachverdichtung der Erholungsfunktion stattfinden
und zum anderen sollen sie
- besser vermarktbar sein – also etwa für (Groß)Events vermietbar sein. Die Betonplatte muß nach einem Rockkonzert nicht erneuert werden, die Rasenfläche schon.
- und ganz nebenbei ist der durchsichtige Freiraum auch leichter zu überwachen und zu kontrollieren.
Angeblich entspricht das alles den gewandelten Wünschen heutiger GrünanlagennutzerInnen; Erhebungen dazu, wird zugegeben, gibt es allerdings nicht.
Rückständig wie ich bin, suche ich jedenfalls, wenn ich in den Park gehe, Ruhe und Erholung – und nicht das Goa-Konzert oder eine Motorrad-Leistungsschau.
Womit das Thema Lärm angeschnitten wäre. Auch ein Thema, das nicht alle als problematisierenswert ansehen. Weil: eine Stadt ist eben laut, und wir wollen doch nicht spießig sein. Aber ist das so – und wem nützt es, wenn es laut sein darf?
Lärm macht krank. Vielleicht ist diese Aussage schon spießig. Wahr ist sie aber trotzdem. Ich finde: Recht auf Stadt ist auch Recht an körperlicher Unversehrtheit und Wohlbefinden. Dem ist Lärm abträglich.
Die EU-Umgebungslärmrichtlinie sagt: Städte müssen leiser werden. Da muß Hamburg eigentlich was auf den Weg bringen. Zumal auch eine Umwelthauptstadt in diesem Bereich Hausaufgaben zu erledigen hat.
Was aber passiert: Der Standort Hamburg beschützt seine Lärmemittenten vor lästigen Veränderungsnotwendigkeiten – und: Hamburg wird kreativ. Wenn etwas ein schlechtes Image hat (Lärm nämlich), muß nicht der Lärm gemindert werden, sondern dessen Image verbessert werden.
Dazu werden die angefangenen Umgebungslärmrichtlinien-Aktivitäten vor die Wand gefahren, d.h. auf die Bezirke abgeschoben, die weder Geld, Kompetenz noch Personal haben (formal ist bei der Zuständigkeitsfrage ein Haken dran) und gleichzeitig wird Positivlärm angeordnet, der den störenden Lärm überdeckt.
Die IBA schafft dazu Exempel: In Wilhelmsburg ist es so laut, daß die Lärmgrenzwerte für Wohngebiete nach BImSchG (Bundesimmissionsschutz-Gesetz) deutlich überschritten werden; neue Wohngebiete dürfen nicht ausgewiesen werden außer mit massivem Lärmschutz oder Trickserei.
Versucht die IBA nun, den Hafen-, Industrie- und Verkehrslärm zu mindern?
Nein. Es wird per Openair-Events Positivlärm drübergelegt. Mit erfundenen Gründen, warum die Bühnen in den Stadtteil hineinschallen müssen statt in den Hafen. Wer dagegen ist, kommt, na klar, in die Spießerecke. Krankhaft unzufriedene Spaßverderber. Die können ja, sagt die IBA, zu den Eventzeiten (oder auch generell) woanders hingehen, die Termine seien ja bekannt. Vertreibung läuft nicht nur über Mieterhöhungen.
Es geht hier um ganz grundsätzliche Fragen:
Soll es in der Stadt mehr oder weniger Lärm geben?
Oder: Wenn kommerzielle Prozesse durchgeführt werden (egal ob Container ausbeulen, Dockville oder Außengastronomie in der Susannenstr.), muß in dieser Stadt dann noch Rücksicht genommen werden auf Unbeteiligte?
Rücksicht ist in neoliberaler Sicht nicht verwertbar. Aber nach meiner Interpretation ist sie Teil des Rechts auf Stadt. Genau wie Toleranz, um das gleich dazuzusagen. In symmetrischer Verteilung.
In der Stadt Hamburg muß über das Schicksal von Frei- und Grünflächen demokratisch befunden werden. Sie sind Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge eines funktionierenden Gemeinwesens. Es gibt keinen naturgesetzlichen Verwertungszwang, kein höheres Recht für Investorenwünsche. Auch ist der Schutz vor Übergriffen Teil der Daseinsvorsorge. In einem funktionierenden Gemeinwesen heißt das z.B., dass Unbeteiligte nicht durch den Ablärm kommerzieller Verwertungsprozesse aller Art belästigt oder gesundheitsgefährdet werden dürfen.
öko ist Teil vom Recht auf Stadt.
Wir brauchen öko zum Leben. öko ist nicht trennbar vom gesamten Geschehen in dieser Stadt.