- Das Problem in einem Text zusammengefasst
- Wohnungsmarkt: Zahlen,Analysen, Fakten
- Verdrängung durch steigende Mieten
- Bezahlbarer Wohnraum
- Gentrifizierung in Aachen
- Segregation - Konzentration bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Stadt
- Lokalpolitik
Dieser Text wurde ursprünglich in der 4. Ausgabe unserer lokalen Bündnis-Zeitung "Tacheles" veröffentlicht.
Titel: Mietenwahnsinn in Aachen
Untertitel: Neueste Zahlen aus dem Wohnungsmarktbericht der Stadt lassen befürchten, dass bezahlbarer Wohnraum in einigen Jahren kaum noch existieren wird.
Aachen 2021. Corona und die neue Bürgermeisterin bestimmen die Schlagzeilen. Alle sind voller Hoffnung, dass die Pandemie bald abklingt und erwarten von Sibylle Keupen große Taten für ein klimafreundliches Aachen. Bei den ganzen Zukunftsvisionen taucht ein Thema jedoch kaum auf: Wenn nicht innerhalb weniger Jahre gravierende Veränderungen in der Sozial- und Wohnungsmarktpolitik eintreten, blickt Aachen einer Zukunft fast ganz ohne soziale Durchmischung entgegen. Schuld daran ist die dramatische Situation auf dem Wohnungsmarkt.
Die Mieten sind in den letzten Jahren enorm gestiegen – von 2008 bis 2019 um 50,2 %. Das ist schneller als in Köln, Bonn oder Münster. Dadurch kommt es zu einem starken Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Innerhalb der letzten 10 Jahre ist der Anteil an Wohnungen mit einer Miete bis 7€/m² von 70 % auf nur noch 12 % zusammengeschrumpft. Allein in den letzten 5 Jahren ist dafür der Anteil von Wohnungen mit Mieten über 10€/m² um 225% gestiegen, auf einen Gesamtanteil von fast einem Drittel. Tendenz steigend. Grund dafür ist vor allem der ungebremste Zuzug von Studierenden, für die die RWTH keine Wohnheime bereitstellt. Bei den Campus-Projekten wurde Wohnraum nicht mitgedacht. Investoren aus aller Welt strömen seit einigen Jahren nach Aachen, um mit Mikroappartements zu Wucherpreisen die Not auszunutzen. Daran trägt auch die Stadt Mitschuld. Sie unterstützt die Campus-Pläne mit 15 Millionen Euro und lässt gleichzeitig zu, dass die Mehrheit neu gebauter Wohnungen in der Stadt auf hohe Mieten abzielt. Wahrscheinlich wird deswegen in Aachen mehr gebaut als in anderen NRW-Städten. Dadurch steigt wiederum der Bodenpreis und macht bezahlbaren Wohnraum noch unwahrscheinlicher. Dazu kommt, dass viele Wohnungen von Miet-, in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Im Driescher Hof oder der Eifelstraße beispielsweise gibt es ganze Wohnblöcke, in denen Wohnungen unterschiedlichen Vermieter:innen gehören. Das führt erwiesenermaßen zu immer stärkeren Mietsteigerungen und Verdrängung der ehemaligen Mieter:innen.
Dabei bezieht jede:r zehnte Aachener:in Unterstützungsgeld vom Amt und ist somit von bezahlbaren Mieten abhängig. All diese Menschen haben große Probleme, eine Wohnung zu finden, die sie sich leisten können. Das trifft auch immer stärker für Familien, Rentner:innen oder Geringverdiener:innen zu. Sie alle werden in das Umland verdrängt. Deswegen spricht die Stadt im „Verdrängungsatlas“ offiziell von einer starken Tendenz zu Gentrifizierung in Aachen. Das bedeutet, dass viele Bewohner:innen eines Stadtteils wegen steigender Mieten wegziehen müssen, durch besserverdienende Haushalte ersetzt werden und dadurch das Viertel ein ganz neues Gesicht bekommt. Besonders dort, wo sich die Stadt mit eigenen Programmen um Aufwertung bemüht hat, wird Gentrifizierung spürbar. Zum Beispiel im Preuswald, Rothe Erde oder in der oberen Jülicher Straße. In diesen Gegenden sind die Mieten zwischen 2014 und 2019 um mehr als 40 % gestiegen. Ähnlich stark steigen die Mieten im Driescher Hof oder im Kronenberg. Also werden die Preise vor allem dort nach oben getrieben, wo die Preise bisher niedriger waren. Die letzten „Inseln des Bezahlbaren“ verschwinden.
Diese Entwicklung verläuft völlig entgegen den Bedürfnissen der Bevölkerung. 50 % aller Haushalte in Aachen haben sogar ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungssschein, ergo auf öffentlich-geförderten Wohnraum. Bis zum Beginn der Privatisierungswelle Ende der 80er Jahre gab es davon noch 30.000 Wohnungen. Obwohl jährlich einige Hundert nachkommen, sind nur noch 9.960 Sozialwohnungen übrig. Damit lassen sich nicht mal alle Menschen versorgen, die Hartz4 beziehen.
In Zukunft wird es noch schlimmer: bis 2029 werden 5.577 (56%) geförderte Wohnungen aus ihrer Preisbindung fallen und den normal hohen Mietpreisen angepasst. In Kullen werden das 853 Wohnungen sein und somit 86% des dortigen öffentlich geförderten Wohnraums. Aber auch in Eilendorf Nord, Richterich und Altforst, in der Scheiben- /Eifelstraße, Lütticher Straße, Obere und untere Jakobstraße, im Driescher Hof und Brander Feld, , gehen jeweils mehr als 60 % des Bestands verloren. Allein um den Bestand von heute zu halten, müssten jedes Jahr 560 geförderte Wohnungen gebaut werden. Im Jahr 2020 wurde mit nur 376 neuen Wohnungen ein Rekord aufgestellt. 560 Wohnungen pro Jahr sind also sehr unwahrscheinlich. In vielen Vierteln wird das Versprechen der Stadt, dass „alle Aachener:innen in jedem Teil Aachens leben können“, dann nicht mal ansatzweise eingehalten.
All diese Probleme sind der Stadt bewusst. Deswegen hat sie 2019 einige neue „Handlungsinstrumente“ beschlossen. Seitdem steht spekulativer Leerstand unter Strafe. Von Verfahren ist seitdem jedoch nichts bekannt geworden, obwohl es in Aachen 5000 leerstehende Wohnungen gibt - die untere Adalbertstraße ist nur ein drastisches Beispiel für die unzähligen Häuser, die von ihren Eigentümern ungestört dem Verfall überlassen werden. Weiterhin wurde die Quote für kommunal geförderten Wohnraum von 30% auf 40% erhöht. Feine Sache, könnte man sagen, aber leider hat sich die Stadt schon an den 30%-Beschluss nicht gehalten. Zahlreiche Wohnungsbauprojekte auf dem Stadtgebiet wurden zugelassen, ganz ohne Sozialwohnungen. In der Augustastraße, die Mephisto-Höfe oder am Westpark. Außerdem sollen Grundstücke, die der Stadt gehören, nicht mehr verkauft, sondern nur an private Investor:innen verpachtet werden, die dort für bis zu 45 Jahre 100% geförderten Wohnraum bereitstellen. Selbst wenn unerwartet lauter Investor:innen auftauchen würden, die mit weniger Gewinn zufrieden sind, besäße die Stadt aber nur noch für 2600 neue Wohnungen Grundstücke. Danach ist erst mal Schluss mit Neubau. Nicht mal, wenn all diese Wohnungen zu 100% Sozialbau sind, können die wegfallenden Sozialwohnungen kompensiert werden. Deswegen hat die Stadt beschlossen, mehr Grundstücke oder Häuser zu kaufen. Soweit wir wissen, wurden bisher jedoch von keinem eine große Anzahl gekauft, außer einige Häuser am Büchel. Insgesamt ist es unwahrscheinlich, dass die Stadt ausreichend Wohnraum kaufen kann. Bespiele aus Berlin zeigen, dass der gestiegene Bodenpreis dazu führt, dass Rückkauf von Wohnraum im großen Maßstab jeden städtische Haushalt überlasten und zu ungeheuren Schulden führen würde.
In Berlin schien die Situation ähnlich ausweglos wie in Aachen. Bis soziale Bewegungen den Mietendeckel durchgesetzt haben. Es ist eine riesige Mieter:innen-Bewegung entstanden, die aktuell dafür kämpft, dass 240.000 Wohnungen von Immobilienkonzernen enteignet werden. Gleichzeitig verbreiten sich die Ideen von Deprivatisierung und Vergesellschaftung in ganz Europa. Statt weiter Investor:innen hinterherzulaufen, sollte die Aachener Politik sich ein Vorbild nehmen und im Sinne des Gemeinwohls handeln. Erst mal konsequent die eigenen Beschlüsse umsetzen und dann eine Strategie entwickeln, die Wohnraum als Grundbedürfnis und Boden als Allgemeingut behandelt, nicht als Ware. Solange die Politik das nicht tut, können wir der Bevölkerung nur empfehlen, sich ein Vorbild an den Menschen in Berlin zu nehmen. Mieter:innen-Initiativen organisieren, die Nachbarschaft vernetzen und gemeinsam auf der Straße Druck machen.
*Quelle für Zahlen und Beschlüsse:
- Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen 2019 & 2020
- Verdrängungsatlas der Stadt Aachen
Alle wichtigen Zahlen und Fakten zum Wohnungsmarkt
- Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen 2017: Link
- Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen 2019 : Link
- Wohnungsmarktbericht der Stadt Aachen 2020: Link
aus dem Bericht 2019:
- Wohnungen insgesamt: 147.370
- Nirgendwo sonst in NRW müssen Mieter so viel ihres Einkommens für Miete ausgeben, wie in Aachen (31,6 Prozent).
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- Selbst Köln liegt mit 35,5 Prozent noch hinter der Kaiserstadt. Dies zieht auch den Durchschnitt der Städteregion hoch. Mit 29,8 Prozent ist die Mitbelastung dort höher als in den Kreisen Heinsberg (28,7 Prozent) und Düren (27,5 Prozent).
- Quelle: Hier
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- Aachen zählt zu den fünf teuersten Kommunen in der Bundesrepublik – nur in vier Städten steigen die Mietkosten schneller.
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- Quelle: Hier
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- 46 % aller Mieter:innen in Aachen bezahlen mehr als die empfohlenen 30 % ihres Einkommens für Miete
- Mietpreissteigerung:
- Es gibt immer weniger bezahlbaren Wohnraum!
- 2018: nur noch 17 % aller Wohnungen sind für unter 7€ pro QM zu haben (2014: 36%). 26 % aller Wohnungen kosten mitlerweile 10€ pro QM (2014: 12%)
Weitere Zahlen:
- nur 5 % der Wohnungen gehören der Stadt Aachen
- der Anstieg der Bevölkerungszahl wirkt sich erwartungsgemäß auch auf einen Zuwachs der Haushalte aus. So stieg deren Anzahl auf 147.370 an. Den größten Anteil (57,5 %) stellen die 84.683 1-Personen-Haushalte
- Die Anspannung des Aachener Wohnungsmarkts stellt insbesondere ein Problem für Familien im Transferleistungsbezug dar. Während die Wohnungsangebote für Ein-Personen-Haushalte noch zu 45 % den finanziellen Vorgaben entsprechen, sind für alle weiteren Haushalte nur noch weniger als 10 % der Angebote im Sinne der Vorgaben für angemessene Kosten der Unterkunft.
- Bauland: Der Quadratmeter in einer mittleren Lage für Individualwohnungsbau verteuerte sich seit 2014 um 33,3 % auf jetzt 400 €, in guten Lagen wurden 2018 in Aachen gar 625 € je Quadratmeter abgerufen, eine Steigerung um 25 %.
- Neubau: 40 % sind Wohnungen als Studierenden- oder Ein-Zimmer-Apartments. Grund: die Quadratmeterpreise sind die höchsten.
In Aachen sind die Mieten stark gestiegen. Besonders ärmere, alte oder alleinerziehende Menschen finden kaum noch bezahlbare Wohnungen. Dadurch werden diese Gruppen an den Rand der Stadt oder ins Umland verdrängt. Dieser Prozess wird Gentrifizierung genannt. In dieser Untersuchung wird gezeigt, wie stark Gentrifizierung in Aachen passiert:
- Der Verdrängungsatlas: Link
- Die höchsten Mietsteigerungen:
- Ein Betroffener von Verdrängung erzählt von seinen Erfahrungen in Aachen: HIER
- Weitere Belege für diese Verdrängung:
- Zitate aus dem Wohnungsmarktbericht 2019:
- Die angespannte Situation auf dem Aachener Wohnungsmarkt wirkt sich deutlich auf die Wohnungsmärkte der Nachbarkommunen aus, die Nachfrage im Oberzentrum übersteigt das Angebot deutlich und führt auch zu hohen Wanderungsbewegungen aus Aachen in die Kommunen der StädteRegion.
- Die bevorzugten Kommunen sind vor allem Stolberg, Herzogenrath, Würselen und Eschweiler, die jeweils ein deutliches Plus beim Wanderungssaldo mit Aachen verzeichnen.
- Neben dem Trend zur überregionalen Berufsaufnahme ist davon auszugehen, dass auch die niedrigeren Eigentums- und Mietpreise in den übrigen Kommunen der StädteRegion Aachen (s. Kap 3.4) Auswirkungen auf die Wohnortwahl von Menschen in der Familiengründungsphase haben. Darauf deuten ebenfalls die Wanderungsdefizite in der Altersgruppe von 0 – 6 Jahren hin (- 349 Personen), welche den Fortzug von Familien zeigen.
Besonders bei heute noch bezahlbaren Wohnungen steigen die Mieten stark.
Quelle: Hier
Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper, während sich die Schere zwischen Bedarf und Bestand immer mehr öffnet. Rund 4500 Wohnungen fehlen nach Angaben der Stadt aktuell, mittelfristig droht eine Lücke von rund 10.000.
- Wohnungen nach Preisklassen:
Immer weniger Wohnungen unter 7 € /qm
Gleichzeitig gibt es:
- Wohnungssuchende Familien von gefördertem Wohnraum 3487
- Tendenz 2035: 10.000
Sozial-geförderte Wohnungen:
- 31.12.2018: insgesamt 9.994 Wohneinheiten
im öffentlich geförderten Wohnungsbau in Aachen. - 2008: 11.646 Wohnungen
- 2016: 9.944 Wohnungen
- Seitdem: bei 10.000 stabilisiert
- Zwischen 2019 und 2028 werden insgesamt 4.822 öffentlich geförderte Wohnungen aus der Bindungsfrist fallen. Siehe hier:
Aus dem Verdrängungsatlas der Stadt Aachen:
Zur Feststellung, ob ein Gentrifizierungsprozess im Quartier begonnen hat, bietet es sich an, die Entwicklung der Mietpreise im Zeitverlauf zu analysieren. Betrachtet man die Entwicklung der Angebotsmietpreis im Vergleich der letzten fünf Jahre (s. Abb. 3), so fällt auf, dass sich diese in den einzelnen Quartieren sehr unterschiedlich vollzogen hat. Die Spanne reicht von einem Rückgang um ca. 10 % bis zu einem Anstieg um 30 %. Bei den Steigerungen fällt auf, dass diese insbesondere die Quartiere mit „bezahlbarem“ Wohnraum betreffen (Kronenberg/Rosfeld, Driescher Hof, Preuswald Aachen-Nord). Hier ist zu vermuten, dass zum einen die zunehmende Anspannung des Aachener Wohnungsmarktes dazu führt, dass nun auch bisher weniger gefragte Wohnquartiere bei Bevölkerungsschichten mit höherem Einkommen zunehmend beliebt werden. Zum anderen zeigt sich der in den letzten Jahren durch Städtebauförderprogramme und Quartiersentwicklungsprozesse vorangetriebene Abbau des Sanierungsstaus, der zu einer Aufwertung und damit verbundenen Preissteigerung im Lebensraum führt. Somit ergibt sich der Effekt, dass der Wohnraum in diesen Quartieren zwar absolut im Vergleich zu anderen Quartieren immer noch günstig ist, es dennoch für die bestehende Bewohnerschaft zunehmend schwierig wird, in ihrem Quartier zu wohnen (z. B. wenn die Mietkosten nach Sanierung bei Transferleistungsempfängern über den genehmigungsfähigen angemessenen Kosten der Unterkunft liegen oder das Budget von Geringverdienern übersteigen). Zudem gibt es deutliche Preissteigerungen im Bereich des RWTH-Campus.
Ausblick: Die vorliegende Basis-Datenanalyse zeigt, dass die aktuelle Wohnungsmarktentwicklung in Aachen eine Tendenz zur Segregation und Gentrifizierung aufweist. Nun gilt es, diese ersten Erkenntnisse weiter auszudifferenzieren, die Wohnraumentwicklung mit der Sozialentwicklung zu vergleichen und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Der Wohnungsmarktbericht 2018, der in der nächsten Sitzung des Wohnungs- und Liegenschaftsausschusses vorgestellt wird, widmet sich erstmals explizit dem Thema immobilienwirtschaftlich bedingter Verdrängung und etwaigen sozialen Segregationstendenzen. Hierzu werden weitere Daten und Erkenntnisse aus dem Wohnbaumonitoring, Auswertungen der komplexen Wanderungsbewegungen innerhalb Aachens und in die Städteregion Aachen sowie aktuelle Sozialdaten zusammengeführt und ausgewertet. Darüber hinaus wird der aktuell in Erstellung befindliche 3. Sozialentwicklungsplan für Aachen Erkenntnisse darüber liefern, ob die Wohnraumentwicklung tatsächlich die vermuteten Effekte auf die Sozialentwicklung in den Lebensräumen hat.Nach Vorliegen der Analyse kann eine ergänzende qualitative Erhebung über individuelle Wohnsituationen, Umzugsmotivationen und sozio-ökonomische Lagen in den Aachener Lebensräumen grundsätzlich sinnvoll sein. Die Daten ließen sich jedoch nur über eine aufwändige Haushaltsbefragung und die regelmäßige Abfrage der Umzugsumstände und –gründe erheben. Hierbei müssen zu gegebener Zeit die anfallenden Personal- und Sachkosten mit dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn abgewogen werden
mehr dazu im Verdrängungsatlas der Stadt Aachen
Aus dem Sozialentwicklungsplan der Stadt Aachen 2020:
- Segregationsphänomene für Aachen lassen sich in unterschiedlicher Weise
zahlenmäßig erfassen und diskutieren. Ein simpler Ansatz ist die Betrachtung
der Anteile bestimmter Bevölkerungsgruppen ) nach Lebensräumen. - Unschwer lassen sich anhand der Werte in der Abbildung die überproportionale
sozio-ökonomische Problemstellung und die Tendenzen einer sozialen Segregation in diesen Lebensräumen erkennen. - Die zehn Lebensräume mit besonderen Herausforderungen, die in der Faktorenanalyse den Clustern 4 und 5 zuzuordnen sind, haben einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von etwa 17%, wobei allerdings der relative Kinderreichtum in diesen Lebensräumen dazu führt, dass insgesamt 22% aller Kinder unter 15 Jahren in den benannten Gebieten wohnhaft sind.
Im Vergleich zum Bevölkerungsanteil von 17%, zeigt sich die starke Konzentration von Menschen mit Armutsgefährdung. 37% aller Personen, die in Aachen Mindestsicherungsleistungen beziehen, wohnen in diesen zehn Lebensräumen, zudem 38% aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten im SGB II (15–64 Jahre) und 44% aller Kinder im Sozialgeldbezug.
Diese Zahlen deuten auf eine soziale Segregation innerhalb des Stadtgebietes hin.
Die Quoten bei Mindestsicherung und beim Sozialgeld als Indikator für Kinderarmut sind etwa doppelt so hoch wie der Bevölkerungsanteil dieser zehn Lebensräume. Die zehn benannten Lebensräume sind daher im Vergleich zum gesamten Stadtgebiet doppelt so stark durch sozio-ökonomische Problemlagen betroffen. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass ein alleiniger Fokus in der Armutsbekämpfung auf die zehn Lebensräume mit besonderen Herausforderungen nicht zu empfehlen ist. Denn deutlich mehr als die Hälfte der Bezieher*innen von Transferleistungen und auch mehr als die Hälfte der Kinder im Sozialgeldbezug wohnen eben nicht in den Quartieren mit besonderen Herausforderungen, sondern in anderen Teilen der Stadt. Diese Personen müssen ebenfalls erreicht werden und von räumlich fokussierten Programmen profitieren können. Darum ist es so wichtig, eine Fokussierung auf die stärker benachteiligten Quartiere mit einer gesamtstädtischen Perspektive zu verbinden. Gleichzeitig gibt es in anderen Quartieren zusätzliche Herausforderungen, die nicht sozio-ökonomisch bedingt sind.
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